Berlin, 09. Januar 2020

Wie bändigt man 10 000 Volt?

Ionenerzeuger

Anwenderbericht des Unternehmens MacroTech

Wenn Martin Bresch über seine Aufgaben spricht, gibt es kein Halten mehr. Die Begeisterung für seine Arbeit blitzt hinter jedem einzelnen seiner Worte hervor. Eines seiner Lieblingsthemen ist die richtige Herangehensweise beim Lernen und Arbeiten – offen sein, aufmerksam beobachten, nicht verkrampfen. Auf diese Art könne man mit der Zeit auch kompliziert erscheinende Aufgaben verstehen und lösen. Entsprechend verlief sein Werdegang vom Physiker hin zum Unter­nehmens­gründer von MacroTech als hochspezialisiertes Unternehmen für Beschichtungsanlagen. Die Themen, mit denen sich Martin Bresch und seine Mitarbeiter bei MacroTech beschäftigen, sind technisch sehr anspruchsvoll. Es gibt nur wenige Experten, die ein so hochkompliziertes, nur noch mathematisch und physikalisch zu ergründendes Veredelungsverfahren verstehen. Das liegt wohl in der Natur der Sache, wenn man Steuerungen und gelegentlich auch komplette Anlagen zur Vakuumbeschichtung entwickelt.

Vakuumbeschichtungsanlage

Die Bedeutung dieser Beschichtungsverfahren als Schlüsseltechnologie für unsere moderne Welt ist kaum zu ermessen. Praktisch die gesamte Halbleiterindustrie produziert unter Vakuumbedingungen, fast alle Prozesse wie Ätzen, Chemical Vapor Deposition und Sputtern finden im Hochvakuum statt. Aber auch der Bereich Metallisierung, die Optikindustrie, die Ophthalmik sowie Automobil- und sogar Lebensmittelindustrie sind auf dünne Be­schich­tungen zur Oberflächenveredlung und Härtung angewiesen.

  • Computersteuerung in Echtzeit mit Kithara Toolkit
  • Schaltschrank mit EtherCAT-Technik
  • Turbopumpen für die Erzeugung des Hochvakuums
  • Vakuumkammer
  • Blick auf die Einsätze mit den runden Öffnungen für die zu beschichtenden Gläser
  • Filament zur Erzeugung des Elektronenstrahls
  • Behälter mit niederbrechendem Siliziumoxid
  • Behälter mit hochbrechendem Tantaloxid. Man sieht deutlich Reste des geschmolzenen Materials, das in der Mitte bereits wieder aufgefüllt wurde.
  • Der Ionenerzeuger verdichtet das aufgedampfte Material
  • Deutlich erkennbar: Das grün-bläuliche Leuchten des Ionenplasmas.
  • Der Elektronenstrahl verdampft das Siliziumoxid
  • Elektronenstrahl beim Verdampfen des Tantaloxids

MacroTech hat sich insbesondere auf die Steuerung von Hochvakuumbeschichtungsanlagen mit Elektronen­strahl­verdampfern, sogenannten „e-Guns“, spezialisiert. Hierbei muss die Erzeugung des Hochvakuums mit einem Druckbereich von weniger als einem Millionstel Atmosphärendruck mittels Pumpen, Ventilen und Massen­fluss­reglern über Druckmessröhren gesteuert werden. Auch Elektronenstrahlverdampfer, Ionenquelle, Substratheizung und das optische Monitoringsystem werden exakt geregelt. Verdampft werden verschiedene Materialien wie Siliziumoxid, Tantaloxid, aber auch Gold, Silber, Nickel, Titan und andere Metalle.

Verschiedene Materialien zum Verdampfen

Die Einzelteile, wie Kameras, Sensoren, Pumpen und Elektronenstrahlverdampfer, kommen von verschiedenen Herstellern. Die Echtzeitumgebung stammt von Kithara.

„Ohne Kithara müssten wir alle Funktionen, wie etwa die genauen Echtzeit-Timer, selber programmieren. Und das wäre genauso ineffizient, als wenn man sein eigenes Betriebssystem oder einen eigenen Kompiler pro­gram­mieren würde“, erläutert Martin Bresch. „Kithara Toolkit bringt diese Funktionen bereits mit. Bestimmte Tools benötigt man halt in fertigem Zustand, damit man sich besser auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann.“

Um das Produkt mit einer konstanten Beschichtung versehen zu können, muss der Elektronenstrahl mit Hilfe von Magnetspulen gleichmäßig über das zu verdampfende Material geführt werden. Dabei wird der Strahl aber nicht einfach hin- und herbewegt – vielmehr beschreibt er komplexe, gewichtete Muster wie Ellipsen oder Lissajous-Figuren.

Zur schnellen und reproduzierbaren Strahlablenkung werden gewichtete Sinusfunktionen mit Frequenzen zwischen 5 und 50 Hertz und geeigneter Phasenlage in hoher Auflösung meist über sehr schnelle EtherCAT-Module auf die Ablenkspulenverstärker gegeben. Dazu ist ein absolut zuverlässiger Zeittakt von weniger als 200 Mikro­sekunden Periodendauer erforderlich. Hierfür nutzt MacroTech ausschließlich PC-basierte Steuerungen mit der Echtzeitumgebung von Kithara.

Beschichtete Gläser

Kithara RealTime Suite ermöglicht die einfache Programmierung von sehr schnellen Echtzeit-Timern mit Reak­tionen im Mikrosekundenbereich, die für die Ausgabe der Ablenkmuster auf die Spulenstromverstärker notwendig sind. Der enthaltene EtherCAT Master ermöglicht die direkte Ansteuerung von schnellen EtherCAT-I/O-Modulen ohne Verwendung spezifischer Schnittstellenkarten. Auch für die konventionelle Steuerung von Vakuumsystem und Elektronenstrahlverdampfer wird die Kithara-Echtzeitumgebung erfolgreich genutzt: für hochfrequente Timer, für die Ansteuerung des allgemeinen I/O-Systems, typischerweise mit EtherCAT oder Profinet, sowie für die Erstellung eigener Treiber zur Ansteuerung spezifischer Schnittstellenkarten.

Keine einfache Aufgabe! Und nicht gerade ungefährlich. Wenn der von einem Filament unter Spannungen bis zu 10 000 Volt erzeugte und von akkurat gesteuerten Magnetfeldern gebändigte Elektronenstrahl nur einen Moment zu lange an derselben Stelle verharrt, kann das auf mehrere hundert Grad erhitzte Metall unkontrolliert verdampfen. Daniel Köhn, verantwortlich für die Entwicklung, zeigt zwei taschenuhrgroße Metallzylinder, in deren Mitte jeweils ein eingeschmolzenes Loch klafft.

Gefürchtet sind auch Bogenentladungen, sogenannte Arcs, die entstehen können, wenn der Elektronenstrahl über das Ziel hinausschießt und die extreme Energie sich einen anderen Weg sucht. Wie bei einem Gewitter entlädt sich diese dann schlagartig unkontrolliert im Innenraum des Druckbehälters. Somit wird schnell klar, warum in einer solchen Anlage kein einziger Vorgang auch nur für eine Millisekunde unkontrolliert umherirren darf.

Damit genau das nicht geschieht, enthalten die von Martin Bresch und seinem Team entwickelten Steuerungen hochkomplexe Algorithmen wie Emissionsstromregelung mit intelligentem Arc-Management, dynamische Änderung der Strahlablenkmuster, proaktive Rateregelung, intelligente Anodenstrom- und Neutralisationsregelung mit Aufdampfrate-basierter Kompensation für getterndes Material und Verriegelung und Verbesserung des Abschaltalgorithmus durch Kopplung mit dem Schwingquarz-Messsystem für die optischen Monitoringsysteme.

Beschichtete Silizium-Wafer als Basis zur Herstellung von Halbleiterelementen

Bei derart anspruchsvollen Technologien ist ein gutes Verhältnis zu den Kunden sehr wichtig. Darum fliegen die MacroTech-Mitarbeiter auch schon mal nach Asien und arbeiten dann viele Stunden am Stück durch, um die gewaltigen Energien im Vakuum zu bändigen. Dafür gab es sogar schon emotionale E-Mails: „Tell Martin, we love him“, schrieb ein erleichterter Kunde, dem MacroTech in dreitägiger intensiver Arbeit geholfen hatte. Ein motivierenderes Dankeschön kann man sich wohl nicht wünschen.

 

MacroTech Steuerungstechnik GmbH im Internet: www.macrotech.de